Swami Vivekananda


Der begrenzte, der sichtbar gewordene Mensch vergisst seinen Ursprung und glaubt, er sei ganz und gar von allem abgesondert. Wir als personifizierte, unterschiedliche Wesen vergessen, was wir wirklich sind. Der Monismus lehrt nicht etwa, dass wir die Verschiedenheiten aufgeben sollen, sondern wie wir sie besser verstehen können. In Wirklichkeit sind wir jenes unbegrenzte Wesen und alle unsere Persönlichkeiten nur ebenso viele Kanäle, durch die sich die unendliche Wirklichkeit kundgibt. Der ganze Wechsel, den wir Entwicklung nennen, geht von der Seele aus, die versucht, mehr und mehr ihrer unermesslichen Kraft zu manifestieren. Wir können nicht diesseits des Unendlichen Halt machen; unsere Macht, unsere Glückseligkeit und unsere Weisheit müssen ins Unendliche emporwachsen. Unendliche Macht, unendliches Leben und ewige Glückseligkeit sind unser. Wir brauchen sie nicht zu erwerben, sie sind bereits unser Eigen, wir haben sie nur zu offenbaren. IXX, Jnana-Yoga: Der Pfad der Erkenntnis, Phänomen Verlag, Hamburg

Von unserer Kindheit an hat man uns nur Schwäche gelehrt, und seit dem ersten Tage unserer Geburt müssen wir hören, was für kleine, schwache Wesen wir sind. Man hat es uns schwer gemacht, unsere eigene Kraft zu kennen, aber durch Analysieren und Nachdenken werden wir erfahren, wie mächtig wir sind, und wir werden diese Macht verwirklichen. Woher kommt denn unser ganzes Wissen in dieser Welt? Es war in uns. Gibt es Wissen außerhalb von uns, befindet sich das Wissen in der Materie? Keiner hat Wissen erschaffen, von jeher war es im Menschen und ist noch dort.
Dieser ganze große Baum, der Hunderte von Metern des Bodens bedeckt, war in dem kleinen Samen enthalten, der vielleicht nicht größer ist als das Achtel eines Senfkorns; diese ganze Masse von Kraft war darin eingeschlossen. Ob der Mensch es weiß oder nicht, schrankenlose Macht liegt in seiner Seele, und sich dieser Macht bewusst sein, hilft sie offenbaren. Wir alle wollen helfen, dieses glorreiche Ziel zu verwirklichen. IXX, Jnana-Yoga: Der Pfad der Erkenntnis, Phänomen Verlag, Hamburg

Viele Male war ich in den Klauen des Todes, hungernd, fußkrank und müde. Tagelang hatte ich nichts gegessen, konnte oft nicht weiter. Ich sank unter einem Baum nieder und das Leben schien mich zu verlassen. Ich konnte nicht mehr sprechen und kaum noch denken. Aber schließlich kam die Vorstellung zurück: „Ich kenne weder Furcht noch Tod. Ich habe weder Hunger noch Durst. Ich bin Das! Die Natur kann mich nicht unterkriegen – sie ist mein Diener. Besinne dich auf deine Kraft, du Herr der Welt und Gott der Götter! Erlange dein verlorenes Reich zurück! Erhebe dich, wandere und halte nicht ein!“ Ich stand auf, wiederbelebt, und hier bin ich heute, lebendig.
Wenn Finsternis kommt, erinnert euch an die Wirklichkeit, und alle Widrigkeiten müssen weichen. Schließlich sind sie nur ein Traum. Mögen die Schwierigkeiten turmhoch erscheinen und die Dinge trostlos und schrecklich, sie sind nur Illusion (Maya). Fürchtet euch nicht, alles ist gebannt. Zermalmt es, und es verschwindet. Tretet darauf, und es stirbt. Lasst euch nicht bange machen. Denkt nicht daran, dass ihr oft versagt habt. Es macht nichts – die Zeit ist unendlich. Geht vorwärts. Bestätigt euch selbst immer wieder, und Licht wird kommen. Vedanta: Der Ozean der Weisheit, O.W. Barth Verlag, München

Alles andere wird bereit sein, aber starke, entschlossene, gläubige junge Männer, aufrichtig bis in die Knochen, werden gebraucht. Hundert davon, und die Welt wird revolutioniert! Der Wille ist stärker als alles andere. Alles muss sich dem Willen unterwerfen, denn er kommt von Gott selbst. Ein reiner und starker Wille ist allmächtig. Was wir brauchen ist Kraft. Glaubt an euch selbst! Was wir brauchen, sind Muskeln wie Eisen und Nerven wie Stahl. Wir haben lange genug geweint. Wahrheit muss stärken, erleuchten, beleben.
Gibt es keine menschlichen Schwächen? Es gibt sie, aber wird weitere Schwäche sie ausmerzen? Wird Sünde Sünde vertreiben oder Schwäche Schwäche? Vedanta: Der Ozean der Weisheit, O.W. Barth Verlag, München

Praktische Religion besteht oft nur darin, dass ich mich mit meinem Selbst gleichsetze. Verwirkliche dich selbst, das ist alles, was getan werden muss.

Das heißt, dass wir verheiratet sein können und trotzdem unser Weib nicht verlassen brauchen; aber wir sollen Gott in ihr sehen. Seine Kinder aufgeben heißt nicht, sie vor die Türe setzen, wie manche Unmenschen in allen Ländern es tun. Das ist teuflisch, aber nicht religiös. Nein, Gott sollen wir in unseren Kindern sehen, in allem, in Leben und Tod, in Glück und Leid. Gott ist überall gegenwärtig. Die ganze Welt ist voll von Gott, öffnen Sie Ihre Augen und erblicken Sie Ihn. IX, Jnana-Yoga: Der Pfad der Erkenntnis, Phänomen Verlag, Hamburg

Was sind Sie und ich und alle diese Dinge, die wir sehen? Reine Selbsthypnose. Es gibt nur eine Existenz, das Unendliche, das ewig gesegnete Eine. In dieser Existenz träumen wir alle diese verschiedenen Träume. Das Selbst ist die einzige Wirklichkeit. Es ist alles abzüglich Name und Form. Vedanta: Der Ozean der Weisheit, O.W. Barth Verlag, München

Alles menschliche Leben, die ganze Natur kämpft um Freiheit. Alles strebt dahin. Der Heilige geht auf diese Stimme zu, er kann nicht anders, genau wie der Sünder. Der Wohltätige geht auf diese Stimme zu und kann nicht daran gehindert werden. Der Geizhals hat dasselbe Ziel. Der eifrigste Arbeiter hört in sich dieselbe Stimme und kann ihr nicht widerstehen. Er muss ihr folgen, genau wie der Faulpelz. Einer strauchelt mehr als der andere, und wer mehr strauchelt, den nennen wir schlecht, und wer weniger strauchelt, den nennen wir gut.
Der Unterschied liegt nicht in der Art, sondern im Grad. Vedanta: Der Ozean der Weisheit, O.W. Barth Verlag, München

Verletzen Sie niemanden, leugnen Sie nicht die Position des anderen. Nehmen Sie den Menschen, wie er ist, und wenn Sie können, leihen Sie ihm eine helfende Hand und stellen Sie ihn auf eine höhere Grundlage, aber verletzen und zerstören Sie nicht.
Auf lange Sicht gesehen, werden alle zur Wahrheit gelangen.

Selbst der kleine Wurm wird eines Tages über die Sinne hinausgelangen und Gott erreichen. Kein Leben ist ein Fehlschlag, es gibt keinen Fehlschlag im Universum.
Hundertmal wird ein Mensch sich verletzen, tausendmal wird er straucheln, aber am Ende wird er erkennen, dass er Gott ist. Keine Seele kann so tief sinken, dass nicht eine Zeit kommt, wo sie wieder steigen muss. Niemand geht verloren. Vedanta: Der Ozean der Weisheit, O.W. Barth Verlag, München

Das ist der erste große Schritt – das echte Verlangen nach einem Ideal.
Gesegnet ist die Qual! Gesegnet ist das Glück! Schert euch nicht darum, was euer Los ist. Haltet am Ideal fest und marschiert weiter!
Vedanta: Der Ozean der Weisheit, O.W. Barth Verlag, München


Wer die Wirklichkeit erkannt hat, ist von ihr erfüllt. Haben wir ein Land gesehen und bereist, und ein anderer möchte uns davon überzeugen, dieses Land existiere gar nicht, würden wir ihn nicht als reif fürs Irrenhaus betrachten? Der Mann der Verwirklichung sagt: „Wozu so viel über Religion reden? Verwirklichung ist das einzig Notwendige.“ Religion kann verwirklicht werden. Seid ihr bereit dazu? Wollt ihr sie innerlich erleben? Jeder, der den aufrichtigen Wunsch hat, kann das Ziel erreichen. Solange ihr Religion nicht innerlich erlebt habt, ist zwischen euch und dem Atheisten kein Unterschied. Der Atheist ist aufrichtiger, aber wer vorgibt, an Religion zu glauben und keinen Versuch macht, sie zu verwirklichen, ist ein Heuchler. XVI, Jnana-Yoga: Der Pfad der Erkenntnis, Phänomen Verlag, Hamburg